1. Semester Media & Design Management (M.A.) – ich bin raus
Nachdem ich mir nach einem halben Jahr nochmal mein Motivationsschreiben angesehen habe, musste ich feststellen, dass ich von meinem Weg abgekommen bin. Ich habe mich für den Master beworben um Wirtschaft zu lernen und nicht für den Titel. Bei vielen Vorlesungen habe ich praktisches Wissen und Werkzeuge kennengelernt, die mir helfen werden bessere Entscheidungen zu treffen. Aber die Hausaufgaben und Prüfungen kosten unglaublich viel Kraft. Ich habe es probiert, aber für mich lässt sich das nicht mit meinen Berufsleben vereinbaren. Um auswendig zu lernen was die Southbridge mit der Northbridge austauscht (Computerbauteile, die ich sowieso nicht beeinflussen kann) ist mir mein Gehirn zu schade. Teilweise waren die Vorlesungen wie ein Sprint mit der Lupe. Nach 8h Unterricht war der Tag für mich gelaufen, mein Kopf war vollkommen überladen. Die Akquise blieb auf der Strecke. Und auch für andere Projekte, die mich weiter bringen, blieb keine Zeit. Seit Beginn meines Studiums habe ich eigentlich immer etwas gemacht, trotzdem blieb mir bei keinem Projekt die Zeit, es zu meiner Zufriedenheit zu beenden. Ich habe den Fokus verloren.
Ich wollte aber auch nicht das Studium beenden ohne eine einzige Klausur zu schreiben, deshalb gab ich Human Resource Management eine Chance und räumte mir 3 Tage zum Lernen ein. Ich habe die Texte immer wieder gelesen, aber innerlich widerstrebte mir das Vorgehen. Wozu soll das gut sein? Welches pädagogische Konzept steckt dahinter? Ich lernte trotzdem Modelle, die schon jetzt als veraltet gelten. Die erste Frage der Klausur war in etwa so:
Nennen sie vier Kennzahlen mit denen sich eine leistungsorientierte Bezahlung von Ärzten realisieren lässt.
War das ein Witz?
Ethische Diskussionen waren nie ein Thema in den Vorlesungen. Und hier geht es um Leben und Tod. Das Bezahlungssystem hat enorme Auswirkungen auf die Behandlung der Patienten. Belohnt man erfolgreiche Behandlungen, so wird es unökonomisch sich um die schweren Fälle zu kümmern. Wie lassen sich die Risiken der verschiedenen Bereiche vergleichen? Wie schwer ist eine Operation? Und wie wirkt sich wiederum das Bewerten der Risiken auf die Arbeit aus? Zuviel Bürokratie?
Ich habe auch mal in einem Buch gelesen, dass die Beurteilungen von Patienten für Ärzte nicht von der Behandlung abhängen, sondern fast ausschließlich von der Zeit, die der Arzt für die Diagnose verwendet hat. Aber welches Buch war das? Für die reale Beantwortung dieser Frage, wäre das Buch mit Sicherheit wertvoll gewesen, aber für die Klausur hatte es keine Relevanz. Schlimmer noch, es kostete mich wertvolle Zeit.
Für mich persönlich ist die einzig richtige Antwort: Das kann ich so schnell und ohne Recherche nicht beantworten.
Aber dafür würde es kaum 30 Punkte geben. In dem Moment habe ich innerlich gekündigt.
Nach der Klausur war ich froh darüber, dass viele Kommilitonen die Aufgabe auch komisch fanden, aber trotzdem versucht haben das Gelernte darauf anzuwenden. Jeder hat für sich eine Einschätzung des Lehrkörpers gemacht und entschieden ob die moralische Dimension beabsichtigt war.
Einige Reaktion haben mich aber etwas erschreckt:
Du darfst nicht soviel darüber nachdenken.
Ethik stand nicht im Skript, also kanns auch keine Punktabzüge geben.
Das Bildungssystem hinterlässt seine Spuren. Es tritt eine Sicherheitshaltung ein. Statt Neugier fördert es einen Tunnelblick. Und es liegt an jedem einzelnen Studenten, dass er das Feuer in sich am Brennen hält.
Ich bin (fast) raus
Ich ziehe meine Konsequenzen und verzichte auf den Titel “Master”, ich verzichte auf Klausuren, ich verzichte auf Hausaufgaben und ich verzichte auf ProfessorInnen die nach dem Konzept: “Inhalt/Zeit = Lehrveranstaltung” unterrichten.
Ich habe versucht einigen Professoren mein Problem mit diesem Sprint mit der Lupe zu erklären. Aber die Reaktion war: “dann musst du halt mehr lernen” also lern oder stirb.
So kann und will ich nicht lernen. Ich lerne am besten wenn ich etwas umsetze und dafür will ich mir wieder Zeit nehmen. Ich lerne mit den Händen. Wenn ich deshalb den Master nicht machen kann, ist das halt so.
Als dritte Option bleibt mir immernoch:
Frei studieren
Ohne Prüfungsdruck und mich schlecht zu fühlen, weil ich wegen einem Job keine Hausaufgaben gemacht habe, werde ich mir die guten Vorlesungen weiterhin anschauen.
Genug geschimpft, jetzt kommt das Gute:
Meine Kommilitonen! Ich habe selten Menschen erlebt unter denen so wenig Konkurrenz besteht. Statt die wichtigen Seiten aus Büchern zu reißen, haben wir eine Dropbox angelegt, die sich auf wundersame Weise mit allen wichtigen Unterlagen gefüllt hat. Alle Skripts, fertige Hausaufgaben, gescannte Ordner, Mitschriften und weitere Studien. Wir helfen uns gegenseitig. Und deshalb fiel es mir auch so schwer auf den Abschluss zu verzichten. Es fällt schwer sich bei einer Hausaufgabe “rauszuhalten”, wenn im Skype-Chat ständig darüber diskutiert wird.