Klausuren sind so 2010 vor Christus
Stellt euch vor ihr seid bei der Arbeit und ihr sollt ein komplexes Problem lösen. Ihr habt weder Zugang zum Internet, noch zu euren Unterlagen, ihr könnt keine Rückfragen stellen und auch nicht mit den Betroffenen über das Problem diskutieren. Auf mich wirkt dieses Verhalten mehr als unprofessionell. Aber genau in dieser Situation werden Klausuren geschrieben.
Über Jahrtausende haben die Menschen gelernt Informationen außerhalb von ihrem eigenen Gehirns zu speichern. Anfangs nur in Bildern, dann mit Schrift, auf Papier und jetzt auf Computern und im Internet. Über die letzten Jahre habe ich meine Methoden Wissen auszulagern ständig verfeinert. Ich erarbeite mir die Zusammenhänge und weiß zusätzlich wo die genaue Information liegt oder wen ich fragen muss um mehr Details zu erfahren. Und bei all dem Unsinn der im Internet verfasst wurde, habe ich auch gelernt meine Informationsquellen zu überprüfen.
Der schnelle Wandel und die immer komplexere Betrachtung der Welt zwingt mich praktisch dazu. Diese Fähigkeiten sind im echten Leben sehr wichtig. Im Hochschulleben spielen sie aber eine sehr kleine Rolle. Dort wird mit Klausuren das Kurzzeitgedächtnis überprüft. Und dieses Wissen endet mit dem Skript. Was nicht im Skript steht, ist nicht Klausur relevant und muss deshalb nicht gelernt und verstanden werden. Tolles Konzept!
Klausuren 2010 nach Christus
Statt Studenten alles auswendig lernen zu lassen, sollten alle Hilfsmittel erlaubt werden. Selbst wenn ich alle 100 Folien, die in einer Vorlesung ausgeteilt wurden, dabei habe, ist die Zeit zu knapp um erst während der Klausur zum ersten mal rein zuschauen. Ich muss mir vorher einen Überblick verschafft haben, damit ich das Wissen anwenden kann. Im Gegenzug muss natürlich die Bewertung angepasst werden. Wenn man nur die Informationen aus dem Skript verwendet, kann man maximal noch ein “befriedigend” erhalten. Wer mehr will muss sich auch außerhalb informieren.
Und was ist, wenn du keinen Strom hast?
Dann sammele ich Holz zum Feuer machen und finde heraus welche Holzart sich am besten für einen Speer eignet. Das steht leider in keinem Skript.
Ich geb dir mal ein Jein… Diese klassische Kurzzeitgedächtnis-gebundene Klausursituation, wie wir sie (leider) auch haben, hat in nen paar Fällen schon ihre Berechtigung; zB, wenn in Grundlagenvorlesungen notwendige Vokabeln gepaukt werden sollen. Über diese reine Vokabeltestsituation hinaus seh ich aber auch keinen Sinn drin.
Klausuren, in denen man Zugang zu allen Informationsquellen hat, über das Problem diskutieren kann und die grundlegenden Unterlagen wieder und wieder wälzen kann, finde ich grundsätzlich auch in den meisten Fällen sinnvoller. Die gibt es aber halt schon – das nennt sich dann meistens Studienarbeit.