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Generation Praktikum vs. Generation Arbeitssimulation

Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass zwischen mir und dem Arbeitsmarkt eine unsichtbare Wand steht. Denn zwischen den Märchen über die Arbeit die mir in der Schule und während dem Studium erzählt wurden und dem was ich jetzt erlebe liegen Welten. So wird einem immer wieder erzählt, dass wir in einer Leistungsgesellschaft leben und man sich anstrengen muss um etwas zu erreichen, aber mein Eindruck ist genau der gegenteilige.

Wer etwas erreichen will und schnell arbeitet wird genauso schnell wieder ruhig gestellt. Denn niemand der schon länger in einer Firma arbeitet, möchte das herauskommt, wie wenig er in Wirklichkeit leistet.

Ein Beispiel:

Die Stadt Mainz hat bei der Stadt der Wissenschaft mehrfach Mails verschickt, mit dem Ziel Daten zu erfassen. Mir wurde dabei ein Worddokument via E-Mail zugeschickt in dem ich dann die Daten eintragen und das Dokument zurück schicken sollte. Diese schätzungsweise 300 Dokumente wurden anschließend von Hand geöffnet und die Daten wurden Information für Information in einen Excel Tabelle übertragen. Ich schätze dass hierfür 2-5 Tage Arbeitszeit angefallen sind.

In nur 15min hätte ich hingegen ein Formular erstellen können, das die selben Daten erfasst und ohne dass ein Mensch etwas damit zu tun hat, in eine Excel-Tabelle einträgt.

Das selbe Ergebnis in einem Bruchteil der Zeit. Aber als ich diesen Vorschlag äußerte, bekam ich sofort heftigen Gegenwind zu spüren. Fast so als ob ich Gotteslästerung betrieben hätte.

Aber das war nicht das erste mal, dass ich, dafür dass ich eine Aufgabe schnell und effektiv erledigt habe statt Lob, Ärger bekommen habe.

Meine These: Es gibt nicht mehr genug Arbeit, die reale Produktivität ist so weit gestiegen, dass wir garnicht mehr 8 Stunden am Tag mit Arbeit füllen können. Statt aber mehr Freizeit zu haben, wird Arbeit simuliert: “Ich habe noch sooo viel zu tun” und jeder der diese Geschichte hinterfragt wird heimlich aber bestimmt herausbefördert.

Aber liebe Generation Arbeitssimulation: Habt ihr mal an eure Zukunft gedacht? Wenn ihr die Generation Praktikum weiter daran hindert, sich im Arbeitsmarkt zu etablieren, wer zahlt dann eure Rente?

Um einen Ausweg zu finden, sollten wir aufhören unnötige Arbeit weiter zu subventionieren. Wenn keiner mehr Autos braucht, dann sollte man aufhören sie herzustellen. Würde nur die hälfte des Geldes, dass heute zu Sicherung des Status Quo verwendet wird in innovative und die Produktivität steigernde Ideen investiert, könnten wir in 10 Jahren für alle eine 20 Stundenwoche realisieren und das ohne auf Wohlstand zu verzichten.

Das nächste große Ding: die Geradeauskrise

Die Industrialisierung hat uns viele schöne Krisen gebracht. Die aktuellen Highlights: Finanzkrise, Klimakrise, Ölteppichkrise und Terrorkrise, basieren alle auf dem selben Ursprung: Linearität.

Die Krise hat spätestens mit Adam Smith angefangen, der heraus fand, dass viele ungebildete und angepasste Menschen, durch den Einsatz von Arbeitsteilung, Druck (Durch einen Boss) und Maschinen viel effizienter produzieren können als Handwerker. Damals war es keine Problem ungebildete Menschen zu finden, aber es gab ein Anpassungsdefizit. Deshalb lagerte man der Produktionsstätte ein Anpassungslager vor, die sogenannten Schulen. Später wurde dieses System ausgeweitet. Das selbe Prinzip, dass für die Arbeiter funktionierte, wurde dann natürlich auch auf die “Bosse” angewandt. Das nennt sich heute Management. Auch hier wurden Arbeitsabläufe in kleine, einfache Teilaufgaben geteilt. Das klappte lange Zeit gut, aber kein Mensch kann so viele vor definierbare Operationen ausführen wie ein Computer. Erst wurden die Hände durch Roboter ersetzt, jetzt kommt Schritt zwei: Manager werden durch Entscheidungs-Algorithmen ersetzt.

Aber Computer werden uns zum Glück nicht alle Entscheidungen abnehmen können. Die Welt ist nicht Linear. Nicht nur die Natur macht was sie will, auch die Konkurrenz hält sich nicht mehr an diese lineare Abläufe. Der Markt wird momentan von Unikaten überschwemmt, da man den linearen Part ohne großere Probleme outsourcen kann. Manche Unternehmen haben das erkannt: Google und Amazon, aber auch die DHL bieten Outsourcing für Linearität an.

Wer nur verwaltet und alle Entscheidungen mit Hilfe von Excel und Entscheidungsbäumen trifft, wird bald durch ein App ersetzt. Die Bienen sollten jetzt lernen ihren Honig selber zu verkaufen, weil die Königin sie bald nicht mehr braucht.

Lineare Bildung

Wir haben ein Bildungssystem, dass uns auf den geraden Weg vorbereitet. Das aus einer Zeit stammt, in der Unternehmen mehrere Jahrzehnte bis zur Weltspitze brauchten. Und jetzt? Amazon (20.000 Mitarbeiter, 19Mrd. $ Umsatz) zieht in 10 Jahren an der Traditions-Firmen Quelle und Bertelsmann (100.000 Mitarbeiter, 15Mrd. € Umasatz) vorbei. Microsoft kam aus dem nichts auf Platz eins und wird jetzt bald von Apple und Google überrannt. Facebook.com hat mehr Einwohner als die USA und plättet weltweit die Lokalzeitungen. Es hilft einem nicht mehr alleine zu wissen was war, wer da noch mithalten will, muss darüber nachdenken was kommen könnte. Als Google angefangen hat, haben sie nicht überlegt wie hoch die Kosten für ihren Service werden und das mit den damaligen Umsätzen für Onlinewerbung verglichen. Google hat am Anfang ein Problem gelöst und dann einen kompletten Markt mit Submärkten (Bsp.: SEO und SEM-Spezialisten) geschaffen. Die meisten Bürokraten hätten eine Studie von McKinsey rausgeholt und festgestellt, dass man im Internet kein Geld verdienen kann! Dann hätten sie das Projekt eingestellt, abgeheftet und den nächsten Ordner geöffnet: “Oh, Kredite für Hausbesitzer, das ist ne sicher Anlage, das sagen auch die Lehmann Brothers, da müssen wir investieren $$$!

Generation Geradeaus = Generation Praktikum

Laut meiner Schulen war der Weg immer klar: Kindergarten > Schule > Hochschule > Festanstellung wurde nicht nur mir so gesagt, sondern auch Millionen anderen. Aber der Weg ist mittlerweile verstopft. Weil sie nie von etwas anderem gehört haben, als von einer Festanstellung. (Warum habe ich Monate lang lernen müssen, wie man Bewerbungen und Lebensläufe schreibt, aber nicht einmal einen Businessplan erstellt?)
Die meisten halten sich an diesen Plan und drängen in die großen Unternehmen. Da Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, gibt es mittlerweile soviele unbezahlte Praktikanten. Das ist nicht nur ein Armutszeugnis für die Arbeitgeber, sondern auch für die Perspektivlosigkeit unserer Schulsysteme. Die Generation gibt es schon viel länger. Es ist die Generation Geradeaus, nur dass die jetzt zum ersten mal sichtbar wird, weil der vorgegebene Weg überfüllt ist.

Liebe Generation Geradeaus
Wacht auf! Ihr glaubt ihr könntet durch ein Praktikum in ein Unternehmen nachrücken, dass froh über jeden Mitarbeiter ist, der in Rente geht und den sie nicht selber kündigen müssen. Wenn ihr eh kein Geld bekommt, dann verschwendet nicht auch noch eure Zeit. Was wollt ihr machen? Überlegt euch einen Weg, wie euer Leben verlaufen soll. Macht euch das Leben nicht mit festen Zielen (Bsp.: einen Oscar gewinnen) kaputt, sondern überlegt wie ihr gerne arbeiten wollt. Welche Fähigkeiten habt ihr und wer könnte diese Fähigkeiten brauchen. Betrachtet eure Fähigkeiten aus der Ferne: Nicht “ich bin Webdesigner”, sondern “Ich verstehe wie Menschen Informationen wahrnehmen und mit ihnen interagieren.” Aus der auf Webdesign-Agenturen beschränkten Sichtweise, entwickeln sich ganz neue Perspektiven. Schaltflächen-Entwicklung für Aufzüge, Formulare verständlicher machen… was weiß ich. Bei der Umformulierung geht es aber nur zum Teil um euch. Gerade für die anderen Menschen, mit denen ihr interagiert, schafft die neue Formulierung ganz andere Anknüpfungsmöglichkeiten: “Webdesigner, brauch ich nicht, aber ich habe da so ne Buchhaltungssoftware mit der ich jeden Tag arbeite und kenne den Chef gut, können sie die nicht mal überarbeiten?”
Das ist wie mit den Straßen, es gibt gerade Autobahnen, kurvige Landstraßen und holprige Feldwege. Grad wollen alle auf die Autobahn, weil sie gehört haben, dass sie da am schnellsten unterwegs sind, keiner weiß wo sein Zeil ist, deshalb gibts einen Rückstau bis auf die Landstraßen. Da fahre ich lieber mit dem Rad und wenn bald auch die Feldwege überfüllt sind, fahre ich Mountainbike.

Ziemlich lange ausgeholt um ein Video anzukündigen, aber Sir Ken Robinson hat sich bei seinem Vortrag auch alle mühe gegeben mich auf diese Gedanken zu bringen:

Viel Spaß bei der Bildungs-Revolution: