Mitte April bin ich beim TEDxSummit 2012. Dem ersten weltweiten Treffen für TEDx Organisatoren. Über 700 werden der Einladung folgen und in die Wüste gehen. Ziel ist es sich untereinander kennen zu lernen und die Zukunft des Formats TEDx zu diskutieren.
Ich lese grad Professionelle Intelligenz: Worauf es morgen ankommt von Gunter Dueck. Darin beschreibt er, wie immer mehr echte Berufe zu Commodities also Gebrauchsgütern werden. Wo man früher noch eine Ausbildung benötigte, reicht heute eine kurze Schulung. Daraus ergibt sich dann zwangsläufig, das sich Unternehmen von Fachkräften trennen und lieber Niedriglohnjobber einstellen.
Beispiel: Optiker
Früher auf dem Dorf hat eine Person den gesamten Ablauf geregelt. Es wurde die Sehstärke gemessen, beim Gestell beraten, die richtigen Gläser aus Tabellen ausgesucht, die Gläser wurden bestellt und dann vor Ort in das Gestell eingepasst, der Kunde wird angerufen wenn es fertig ist und man rechnet ab. Ganz schön kompliziert, das lernt man nicht an einem Tag.
Wenn man heute nach Fielmann geht, läuft das ganz anders. Der Prozess wurde nach Adam Smith optimiert und zerlegt. Ein Mitarbeiter misst nur die Sehkraft, ein anderer berät bei den Rahmen. Er tippt alles in den Computer, der dann den Preis und das exakte Lieferdatum auswirft. Nach einer Woche bekomme ich dann nicht das Gestell, das ich mir ausgesucht habe, sondern das selbe Modell, das in einer zentralen Montage mit den Gläsern verbunden wurde. Der Computer versendet eine SMS und man kann an der Rezeption die Brille abholen und bezahlen.
Wo früher also ein Experte fast den ganzen Prozess alleine gemacht hat, sind heute viele Billiglohnarbeiter an kleinen Einzelschritten beteiligt.
Als nächstes sind die Manager dran
Nachdem schon viele Fachkräfte zu Billiglohnarbeitern degradiert wurden, frisst sich die Automatisierung heute die Hierarchieebenen hoch. Auch die Arbeit im Management wurde immer weiter in Prozessen abgebildet und wie bei allen Aufgaben, die klar definiert werden können, kann es der Computer schneller und günstiger. Man wird zum Gebrauchsgut.
In seinem Buch beschreibt Dueck aber nicht nur den Ist-Zustand sondern geht auch darauf ein, was das für den Menschen bedeutet. Er beschreibt das Zusammenspiel der verschiedenen Intelligenzen (es gibt mehr als den IQ) und was den postmodernen Wissensarbeiter ausmacht:
Es geht darum, das Projekte gelingen.
Ich will jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, aber mich haben viele Eigenschaften, die Dueck fordert, an meine Zeit beim Film erinnert. Man traf auf ein Team mit verschiedenen Spezialisten, die eigenständig ihre Fähigkeiten ergänzten um zum Gelingen eines Projekts (der Film) beizutragen. In 3 Tagen wurden mit einem Team von 25 Personen ca. 30-60 Teilprojekte realisiert, die am Ende zu einem gemeinsamen Ergebnis führen. Beim Film wird Kunst industriell hergestellt und es treffen sehr unterschiedliche Berufsgruppen aufeinander, unter denen oft echter Respekt herrschte. Film ist Teamarbeit und dafür ist sehr gute Kommunikation erforderlich. Ich selber habe bei Studentenfilmen fast alle Positionen durchlaufen und war dann bei professionellen Produktionen häufig das Bindeglied zwischen Dreh und Nachbearbeitung. Dazu musste ich mich immer im Vorfeld mit dem Kameramann absprechen um zu erfahren welche Ergebnisse er anstrebt. Man kann alleine in der Kamera nicht den Look des fertigen Bildes erzielen, sondern muss teilweise das Bild bewusst “falsch” aufnehmen, damit man in der Nachbearbeitung den gewünschten Effekt erzielen kann.
Ok, das war noch einfach. Kommt dann noch ein Greenscreen ins Spiel oder sollen 3d-Objekte integriert werden, wird richtig spaßig. Dann musste ich mich im Vorfeld auch mit der Ausstattung (Edelstahl ist ganz schlimm, darin spiegelt sich die Umgebung, da kann man nur den Tisch komplett in 3d nachbauen), dem Kostüm (Keine grünen Sachen) oder der Regie (Welche Haarfarbe hat die Darstellerin? Blond, ok dann brauchen wird Bluescreen, aber dafür benötigen wir auch doppelt soviel Licht.)
Fix it in the post
Es wird noch schlimmer. So ein Dreh mit 25 Experten und Equipment für einen Neupreis von 500.000€ kostet am Tag schnell einen fünfstelligen Betrag (16-100€ pro Minute) und was man nicht aufgenommen hat, hat man nicht. Ich hatte bei solchen Drehs schon die Ehre, dass ich als VFX-Supervisor die Verantwortung dafür hatte, das am Ende alles geplante auch umgesetzt werden kann. Jede Szene wird sowieso mehrfach aufgenommen, aber manchmal kommt es zu Situationen, dass der Schauspieler zwar seine Rolle perfekt spielt, aber deshalb den Tisch anstößt, der eigentlich als Orientierung für den 3D Raum gedacht war. Regisseur und Kameramann wollen die Einstellung haben und ich muss mir das Video anschauen, was ja schon alleine 1-2 Minuten dauert und in dieser Zeit entscheiden ob man das in der Postproduktion ausgleichen kann. Ich muss also einschätzen ob das ne Aufgabe von Stunden, Tagen, Wochen ist oder ob es sogar unmöglich ist (Wobei es das nicht gibt. Unmöglich heißt beim Film nicht bis zur Deadline). Kann das ein Praktikant machen oder benötigt man dafür einen Profi mit 500€ Tagessatz.
Kennst du noch wen?
Wer nicht professionell arbeitet wird einfach nicht angerufen. Beim Film bilden sich relativ bald Cliquen. Man würde nie auf die Idee kommen als Filmproduktion einfach die Positionen durch zu gehen und dann den günstigsten für den Job zu nehmen, sondern man sucht erst den Regisseur, der hat meist seine feste Regie-Assistenz und einige Kameraleute mit denen er gut zusammenarbeitet. Der Kameramann sucht sich dann meist seine Assistenz und einen Oberbeleuchter. Der Oberbeleuchter sucht sich seine Beleuchter usw. ein Filmteam wächst auf diese Weise zusammen und mit allen direkten Kollegen hat man meist schon mal gearbeitet. Die meisten Filmteams haben zwar eine ähnliche Berufsbezeichnungen, aber die genauen Verantwortungsbereiche sind sehr unterschiedlich. Es gibt Kameraleute, die jede einzelne Lampe festlegen und andere die ihrem Oberbeleuchter nur kurz sagen, wie die Stimmung sein soll. Jede Crew ist einmalig.
(Die Bilder sind von einem Projekt bei dem ich für unexpected gearbeitet habe, Steffen und Alex sind glaub ich diejenigen mit dem höchsten PQ, die ich kennenlernen durfte.)
Update: Ich bin jetzt auf Seite 230 und da schreibt es Dueck sogar selber:
Oder denken Sie an Filmproduktionen, wo es auf alle ankommt, wirklich auf alle, die Kameraleute und das Scriptgirl. Jeder Einzelne muss gut sein.
https://i0.wp.com/alexboerger.de/wp-content/uploads/2012/03/DSC_5487.jpg?fit=3872%2C2592&ssl=125923872Alex Boergerhttps://alexboerger.de/wp-content/uploads/2019/06/AB-Logo.pngAlex Boerger2012-03-20 20:38:172012-03-20 20:38:17Duecks Professionelle Intelligenz kenn ich nur vom Film
Jetzt ist es weniger als einen Monat hin, bis in Doha (Qatar) das erste weltweite Treffen für TEDx Organisatoren stattfindet, das TEDxSummit und ich freu mich. Das europäische Treffen war schon extrem interessant und dabei war es nur einen Tag lang. In Doha wird gleich eine ganze Woche (16.-20. April) über die Zukunft von TEDx diskutiert. Mit dabei sind über 700 TEDx Organisatoren aus der ganzen Welt. Als ich die Lizenz für die TEDxRheinhessen beantragt habe, hätte ich niemals gedacht, dass ich deshalb mal in die Wüste geschickt werde. Yeah!
Nach der Aktion, werden wir uns überlegen ob und wann wir die nächste TEDx in Mainz organisieren. Vielleicht machen wir es dann auch ne Nummer größer, als TEDxMainz. Größere Kartenansicht
https://i0.wp.com/alexboerger.de/wp-content/uploads/2012/03/tedxsummit-karte.jpg?fit=1323%2C598&ssl=15981323Alex Boergerhttps://alexboerger.de/wp-content/uploads/2019/06/AB-Logo.pngAlex Boerger2012-03-19 14:29:282012-03-19 14:29:28TEDxSummit in Doha - ich bin schon ganz aufgeregt
Das ein Publikum kuratiert wird, ist eigentlich nichts ungewöhnliches. Bei vielen DanceClubs übernehmen die Türsteher die wichtige Aufgabe. Und alleine, dass man an dem Türsteher vorbei gekommen ist, gibt vielen Leuten schon beim Eintritt ein gutes Gefühl, außerdem fühlt man sich dadurch stärker mit den anderen Auserwählten verbunden.
Eine Selektion schafft ein Gemeinschaftsgefühl.
Aber sie sorgt in den meisten Fällen auch für eine Ausgrenzung, die Gruppe isoliert sich und wird homogen, die Einflüsse von außen werden abgewiesen.
Wenn jeder reden darf wird viel scheiße gelabert
Die Geschichte mit den Clubs lässt sich auch auf Konferenzen übertragen. Das Publikum kuratiert sich selbst, weil es entweder hingeht oder nicht und auf der anderen Seite kommen immer wieder die selben Speaker, weil sie ein gewisses Niveau bewiesen haben.
Anders bei Barcamps, hier soll jeder sprechen, aber auch hier selektiert sich das Publikum selbst. Und es kommen immer wieder die selben Leute und sprechen über die selben Themen, nur jetzt 3.0. Nichts gegen die Leute, bei vielen freue ich mich auf den nächsten Teil der Geschichte, aber da die Teilnehmer so unterschiedliche Hintergründe haben, driften die Dinge leicht ab und zu oft entbrennt eine Meta Diskussion darüber wer, was, wie, meint oder gemeint haben könnte. Durch die extreme Vielfältigkeit der Teilnehmer hat sich noch keine Kommunikationskultur entwickelt. Barcamps sind für mich das bisher beste Konferenz-Format, aber vielleicht ist ja das Prinzip des kuratierten Barcamps wirklich noch effektiver. Und das tolle ist, das gibt’s schon, denn das Barcamp ist nur die Gegenveranstaltung derjenigen, die nicht ins FOO Camp durften. Die FriendsOfO’Reilly treffen sich einmal im Jahr und tauschen sich aus.
Für mich war 2011 ein Jahr der Erkenntnis und das war nicht immer angenehm. Ich habe zuviel gelernt und musste erst mal lernen, damit umzugehen. Besonders rein gehauen hat da die Frage:
Wie funktioniert Geld?
Mittlerweile ist es ja Mainstream nicht mehr an den Euro zu glauben, aber ich hatte im Laufe des Jahres wirklich ein Krise rund um die Frage, denn mir konnte bis jetzt noch niemand erklären, warum Geld funktioniert, dafür kenne ich sehr viele Gründe, warum es nicht funktioniert. Irgendwann hatte ich die Schnauze so voll, dass ich mich vor die Börse gestellt habe um eine Antwort zu finden. Die habe ich dann leider auch gefunden: Jeder versucht seinen Arsch zu retten und keiner traut sich der Bevölkerung die Wahrheit zu sagen.
Ich hatte wirklich mit dieser schizophrenen Situation zu kämpfen und muss mich deshalb nochmal bei Helmut Creutz bedanken, der mir als Tipp gab: Man muss die Alternative kennen und dafür arbeiten, dann ist das gar nicht so schlimm.
Ich war sogar beim Psychologen, aber nach zwei Stunden habe ich die Beratung für albern befunden. Es kann doch nicht sein, dass Abstumpfen wirklich ein Therapie-Ziel ist. Ich habe mittlerweile auch die Vermutung, dass nur gesunde Menschen, die ihre Probleme mit der widersprüchlichen Welt haben in Therapie gehen. Die gestörten Menschen kommen hingegen sehr gut zurecht.
Mittlerweile habe ich meine persönliche Krise aber überwunden. Nachdem ich mir jetzt eine Menge Wissen angeeignet habe, sehe ich das alles wieder entspannter, denn ich habe ja eine Alternative.
Es gab aber nicht nur Krisen in diesem Jahr, sondern auch ein wirkliches Highlight. Die spontane Entscheidung eine TEDx zu veranstalten hat sich mehr als gelohnt. Nicht nur das eigene Event hat mir sehr gut gefallen, sondern auch das ganze drum herum. Ich war in Frankfurt und Amsterdam für TEDx Oraganisatoren meetings und konnte sogar bei der TEDxAmsterdam dabei sein, was einfach soooo viele Nummern krasser als unsere kleine Veranstaltung in Mainz war. Da geht viel positive Energie, das hat mich nach dem Geld Schock wieder aufgebaut.
Nachdem mir im Studium keiner verraten wollte wie Wirtschaft geht, habe ich es in diesem Jahr wissen wollen. Das Experiment Mate-Pate ist mir und Ago etwas über den Kopf gewachsen. Die Nachfrage war gut, nur bei unserer Logistik gab es Mängel. Trotzdem haben wir schon über 1000 Kisten verkauft und wenn man überlegt, dass eine Kiste fast 20kg wiegt auch einiges bewegt. Finanziell war es aber ein Reinfall. Wir haben zwar kein Lehrgeld bezahlt, sondern bekommen, aber Kellnern bringt unterm Strich doch mehr. Dafür ist das Wissen, dass ich gelernt habe aber unbezahlbar.
Auch Hardy muss ich danken, dass er mir Asyl im Nordhafen gewährt hat. Wir haben beide viel von einander gelernt.
Unternehmer sein, heißt Entscheidungen treffen
Aber nur wenn man die richtigen Entscheidungen trifft, kommt man voran. Das ist ne fiese Nummer wenn man nicht genau weiß was man will. Ich hatte im letzten Jahr so viele Optionen, die am Ende aber doch nur ein Kompromiss waren. Ich wollte einfach nichts davon wirklich mit allen Konsequenzen durchziehen und das habe ich gemerkt. Erfolg kommt mit dem Spaß an der Arbeit und nicht umgekehrt. Deshalb war neben Wirtschaft verstehen auch “mich selber verstehen” eine große Herausforderung.
Was macht mich glücklich? Weniger!
“Weniger ist mehr”, das lernt man als Designer schon im ersten Semester, aber so richtig verstanden habe ich es erst in diesem Jahr. Durch Blogs wie ZenHabit und Tynan aber auch Büchern wie die “Die 4-Stunden-Woche” bin ich so ein wenig in die Richtung gerutscht. Ich will mir nicht die ganze Wohnung mit Dingen voll stellen, die ich überhaupt nicht benötige. Ich will nicht soviel Zeit und Geld in Dinge investieren, sondern viel mehr in Begegnungen und Erlebnisse.
Finde einen Beruf, den du liebst und du musst keinen Tag mehr arbeiten
Hier hat mir besonders Jen mit ihrer No regrets Career Academy geholfen. Ich habe mich einfach mal in Ihren Newsletter eingetragen und durch ihre Videos viele nützliche Tipps zur Selbstfindung bekommen. Besonders der Meyers Briggs Type Indicator war sehr nützlich für mich, weil ich danach einfach die meisten Optionen ausschließen konnte.